Umstellung auf IATF 16949:2016 – keine Hexerei
29. September 2017, Thomas Bollhalder
Management in der Pflicht
Obwohl Werkzeuge für die Unternehmensführung und für die Bewertung von Risiken bereits bei der ISO TS 16949:2009 altbekannte Themen waren, erhalten diese Aspekte mit der ISO9001:2015 nochmals Nachdruck. Wir stellen während unserer Beratungstätigkeit fest, dass die Evaluation der interessierten Parteien (Stakeholder) und die Bewertung der damit einhergehenden Risiken für die Unternehmen nicht nur bei der Umstellung der ISO9001 einiges Stirnrunzeln verursacht, sondern auch bei gestandenen Automobilzulieferern Neuland betreten werden muss. Die Unternehmensleitung wird insgesamt stärker in die Pflicht genommen. Es wird erwartet, dass sie über ihre Aktivitäten, Lenkungsmethoden und die daraus resultierenden Ergebnisse transparent Auskunft geben kann. Oft fehlt es lediglich an ein paar guten Tipps und Vorlagen, um die Stirnfalten in ein Aha-Erlebnis zu verwandeln.
Die IATF 16949 legt hier noch nach und fordert Aussagen zu „Corporate Responsibility“ wie Ethik, Verhaltenskodex, Antikorruption etc. Meiner Auffassung nach sind diese Themen in unseren Breitengraden nicht das Problem der Einhaltung, sondern eine erforderliche Auseinandersetzung mit der eigenen Verantwortungshaltung, der zur Unternehmen passenden Formulierung und die verständliche Kommunikation nach innen und nach aussen. Womit sich der Kreis zu den interessierten Parteien wieder schliesst.
Weiterbildung mehr Stellenwert
Gesteigerte Anforderungen sind auch in Bezug auf das Wissensmanagement auszumachen. Die Ansprüche der ISO9001 werden durch die IATF mit expliziten Anforderungen an die internen- und 2nd Party Auditoren strenger. Meiner Auffassung nach kann die Verschärfung durchaus als Chance gesehen werden. System- vor allem aber Prozessaudits, die von professionellen und erfahrenen Auditoren durchgeführt werden, leisten einen vitalen Beitrag an die interne Prozessoptimierung und die Lieferantenentwicklung. Im Dialog kann langfristig mehr Geld gespart werden als mit kurzfristigen und zermürbenden cost-saving-Runden.
Auch die Produktsicherheit (der PSB), die bisher hauptsächlich von VW stark thematisiert wurde, wird in der IATF nun ausdrücklich behandelt (Kap. 4.4.1.2). Auch dazu ist der Nachweis gefordert, dass die von der Organisation nominierte Persönlichkeit über die entsprechenden Kenntnisse verfügt.
Dokumentationsaufwand hoch
Im Gegensatz zur ISO 9001:2015, die versucht, den Dokumentationsaufwand zu verringern, verlangt die IATF 16949:2016 insgesamt 24 dokumentierte Informationen und Prozesse – in Ergänzung zu ISO 9001:2015. Dazu zählen beispielsweise das Management von produktsicherheitsrelevanten Produkten und Produktionsprozessen sowie gesetzliche- und behördliche Anforderungen. Die Forderung nach einem dokumentierten Entwicklungsprozess macht Sinn. Denn nur mit einem gut strukturierten und interdisziplinär funktionierenden APQP-Prozess wird der Serieanlauf von neuen Produkten zum Erfolg.
Die Zeit ist knapp bemessen
Die „Transition to IATF“, wie die Umstellung der ISO TS 16949:2009 auf die IATF 16949:2016 auch genannt wird, ist grundsätzlich kein Hexenwerk. Die Überprüfung der bestehenden Dokumentation und das damit verbundene Aufzeigen der Unterschiede (GAP-Analyse) ist jedoch eine nicht zu unterschätzende Fleissarbeit, die Know-how erfordert.
Ab dem 14. September 2018 verlieren alle ISO TS16949-Zertifikate ihre Gültigkeit. Gemäss den IATF Transition Requirements dürfen von den Zertifizierungsstellen jedoch bereits ab dem 1. Oktober 2017 keine Audits (Überwachungs-, Transfer- oder Rezertifizierungsaudits) mehr durchgeführt werden.
Nachdem die IATF 16949:2016 im Oktober 2016 herausgegeben wurde, dauerte es bis im Dezember 2016, bis sie dann wirklich auch verfügbar war und geschult werden konnte. Somit bleiben für die Umstellung von ISO TS 16949 auf die IATF 16949:2016 faktisch neun Monate übrig. Diese kurze Fristansetzung ist ein Ei, das von Schreibtischtätern der IATF ins Nest der Unternehmen gelegt wurde. Wahrscheinlich hat kein Quality Manager auf verschärfte Anforderungen aus der Automobilindustrie gewartet, um diese dann auch noch im Eilzugstempo zu implementieren. Das Tagesgeschäft, mit dem notabene das Geld verdient wird, um die QM-Systeme zu unterhalten, bleibt ja nicht stehen, bis die Umstellung auf die IATF abgeschlossen ist. Die Produkte wären bestimmt nicht schlechter geworden, wenn man für die Umstellung auf die IATF 16949:2016 den gesamten Zeitraum bis am 14. September 2018 hätte nutzen dürfen.
Eine straffe Projektplanung, Ressourcen (interne und ggf. externe) und ein komprimierter Wissenstransfer ins Unternehmen sind in jedem Fall erforderlich, um das anspruchsvolle Ziel zu erreichen.